Die Wirtschaft in Ostdeutschland stand 1989 kurz vor ihrem Zusammenbruch. In den ostdeutschen Städten zeigten sich viele Häuser vom Verfall bedroht, überall konnte man noch Spuren des Krieges sehen. Luft und Wasser waren in den Industrieregionen stark belastet. Politisch konnte sich die kommunistische Diktatur nur durch eine ständige Überwachung ihrer Bürger am Leben erhalten.
Das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten nach dem Mauerfall verlief weniger konfliktreich, als zunächst befürchtet wurde. Das mag an den gemeinsamen geschichtlichen, sprachlichen und kulturellen Wurzeln liegen. Hinzu kommt, dass bis heute 2 Billionen Euros in den Aufbau von Ostdeutschland investiert wurden. 2 Billionen Euros, das ist eine Zahl mit 12 Nullen!
Jeder Deutsche leistet dafür Monat für Monat seinen Solidaritätsbeitrag, bis heute. So sind tatsächlich an vielen Orten “blühende Landschaften” entstanden, wie einst prophezeit wurde: Kriegsschäden wurden beseitigt, die Infrastruktur ausgebaut, die Häuser und Städte renoviert.
Ganz allmählich verschwindet das, was einst den Westen vom Osten unterschied. Schon jetzt habe ich in Berlin Schwierigkeiten, meinen Besuchern zu zeigen, wo einst die Mauer verlief.
Doch die nächste Herausforderung klopft bereits an die Tür. Es geht um die Integration von Tausenden von Flüchtlingen, die in den letzten Monaten angekommen sind. Hier wird sich zeigen, ob auch das zusammenwachsen kann, was kulturell und sprachlich bisher nicht zu Deutschland gehörte.
*Henning Fülbier war neun Jahre lang beauftragter Sprachberater der deutschen Bundesregirerung bei Schulen mit Deutschuntericht in Rio Grande do Sul und Santa Catarina, mit Sitz in in Porto Alegre, Süd-Brasilien, und ist heute u. a. Korrespondent BrasilAlemanha in Berlin und dortiger Beobachter und Kommentator bei unserer Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden.