Brasilien, eine nicht ganz komplette Demokratie – von Eckhard Ernst Kupfer

… diese Männer die viele Stunden nur mit ihrem Fahrzeug unterwegs sind reden gerne, fragen gerne und teilen sich gerne mit. Dabei ist es ganz natürlich dass man auf das Land selbst zu sprechen kommt, und es wundert nicht, dass die Meinung über die politische Klasse negativer denn je ausfällt. Wenn man dann aber argumentiert, dass jedes Land die Politiker hat die es verdient, und damit die Ursache beim Wähler liegt, hört man immer wieder die resignierende Antwort: es gibt ja niemand anderes.

Im Falle Pará, dieser Staat wird offensichtlich noch immer wie eine capitanía von der Familie Barbalho verwaltet. Jader Barbalho, der heutige Senator des Staates Pará hat in seinem politischen Leben so ziemlich alle Höhen und Tiefen eines brasilianischen Politikers durchgemacht: War Deputado, Bürgermeister von Belém, Gouverneur von Pará, Minister der Regierung Sarney und bis heute Senator. Er wurde angeklagt, für einige Tage eingesperrt, seiner politischen Rechte enthoben aufgrund von vielen nachgewiesenen Korruptionsvorwürfen und konnte alle Anklagen niederschmettern, so dass er heute wieder im Senat seinen Sitz hat. Der Staat Pará wird von ihm so beeinflusst, dass immer wieder Familienangehörige auftauchen und unterstützt werden, dass ein regieren im Bundesstaat ohne sie nahezu unmöglich ist.

Diese Konstellation findet man in den meisten Staaten des Nordens und Nordostens.  Es hat sich seit der Zeit der Unabhängigkeitserklärung von 1822 wenig verändert. Damals musste Dom Pedro I. starke Konzessionen machen um die Unabhängigkeitsbestrebungen vieler Regionen zu neutralisieren. Es wurden Freiheiten eingeräumt, die sich bis heute erhalten haben. Dementsprechend wurde dies von traditionellen Familien ausgenützt und alle wichtigen Posten besetzt, so dass die Staaten nach wie vor wie capitanías geführt und verwaltet werden. Wer die Macht hat, verteilt sie so, dass er sie nie mehr aufgeben muss. Das ist in Maranhão so mit den Sarneys, in Bahia mit den Magalhães und in Ceara, Pernambuco und Alagoas nicht viel anders. Im großen Staat Amazonien wechseln sich drei Familien regelmäßig ab.

Dass dies dem Demokratieverständnis nicht gerade förderlich ist kann man leicht erkennen. Dazu noch die Wahlpflicht des Bürgers, die einem demokratischen Verständnis völlig widerspricht. Das Ergebnis ist dann die heutige brasilianische politische Realität: 35 Parteien im Kongress, deren Mitgliedschaft man wechselt wie das Hemd, je nach Vorteilen, zwei Drittel der Abgeordneten unter Korruptionsverdacht, Stimmenkauf ein normaler Vorgang.

Das alles hat mit Demokratie wenig zu tun. Ob es je besser werden wird?

Só deus sabe.

*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br – Notícias.
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