Reform in der katholischen Kirche – von Henning Fülbier

AHAI Nr. 990 Kommentar Nr. 117

Liebe Hörerinnen und Hörer,

in dieser Woche findet in Rio de Janeiro der Weltjugendtag der katholischen Jugend statt, der auch in den deutschen Medien ein vielfältiges Echo findet.

In einer Berliner Tageszeitung war schon zu Beginn der Woche ein Interview mit einem bekannten brasilianischen Theologen zu lesen, der aus Concórdia in Santa Catarina stammt und heute in Petrópolis lebt. Es ist der 74-jährige Leonardo Boff, der als einer der Begründer der „Befreiungstheologie“ gilt. Er war früher Franziskaner, hat in Curitiba und auch einige Jahre in München studiert und spricht fließend Deutsch.

1985 erhielt Boff vom Vatikan ein Rede- und Lehrverbot, da er sich gegen die undemokratischen und hierarchischen Verhältnisse in der katholischen Kirche aussprach und ihr vorwarf, dass sie sich zu wenig um die sozial Schwachen kümmere.

In dem Interview anlässlich des Papstbesuches in Brasilien brachte der Theologe nun seine Hoffnung zum Ausdruck, dass mit dem neuen, aus Lateinamerika stammenden Franziskus sich die Kirche deutlicher auf die Seite der Armen und Rechtlosen, der Schwarzen, der Indianer und Landlosen stelle. Allein in Brasilien besäßen 5.000 Familien nahezu die Hälfte des gesamten Reichtums. Solche Verhältnisse führten zu einer Schwächung der Demokratie. Lateinamerikas Gläubige erwarteten dringend eine Antwort der Kirche auf diese Ungleichheit.

Von der Papstvisite erwartet Boff den Wandel hin zu einer einfachen Kirche, die offen für alle ist und sich insbesondere um den Schutz und Erhalt der geschändeten Natur kümmert.

Es bleibt abzuwarten, ob Boffs begründete Forderungen auf Resonanz stoßen oder ob die katholische Kirche in Brasilien weiterhin ihre Abschaffung betreibt, indem sie die drängenden sozialen Konflikte von heute ignoriert.

Mit den besten Grüßen aus Berlin

Ihr

Henning Fülbier