Lissi Bender*
Tübingen ist eine kleine, mittelalterliche, schwäbische Stadt mit etwa 89.000 Einwohnern. Frühe Siedlungsspuren der Alemannen fand man bereits aus dem Jahre 250, die erste urkundliche Erwähnung stammt von 1078. Durch die Stadt schlängelt sich der Neckar auf seinem langen Weg zum Rhein. So klein Tübingen auch sein mag, ist sie doch groß in ihrem Kulturangebot. Bekannt ist Tübingen vor allem durch ihre über 500 Jahre alte Universität (gegründet 1477), aber auch als Stadt der Dichter und Denker. Denn in Tübingen haben bedeutende Dichter gelebt, wie Hölderlin und Uhland, oder Denker wie Hegel und Mörike. Auch heute leben hier bekannte Persönlichkeiten wie die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhardt, der Rhetorik-Professor Walter Jens und der Philosoph Otfried Höffe. Und auch der bekannte Sänger Dieter Thomas Kuhn ist ein Tübinger.
Zwischen Tübingen und Stuttgart liegt das Waldschutzgebiet Schönbuch, das viel Wild beherbergt, darunter Wildschweine und Rothirsche, deren Brunftgeschrei im Herbst weit zu hören ist. Der Naturpark ist auch sehr beliebt bei den Wanderern. Im Schwabenland wird überhaupt viel gewandert! Mitten im Schönbuch liegt Bebenhausen, ein kleines Dorf am Waldrand, um ein ehemaliges Zisterzienserkloster herum. Nach der Reformation wurde es von den württembergischen Königen als Jagdschloss genutzt. Heute ist es ein beliebtes Ausflugsziel und kann besichtigt werden. Auch das nahe gelegene Schloss Hohenentringen wird gerne von auswärtigen und einheimischen Gästen besucht, ein Ausflugslokal mit herrlichem Blick über das Ammertal. Dahin bin ich so manches Mal über lauschige Waldwege spaziert. Am Rande des Schönbuchs hat sich vor genau 100 Jahren die Schokoladenfabrik „Ritter Sport“ angesiedelt, heute mit einem modernen Kunstmuseum, gestiftet von der Familie Ritter. In der Nähe von Tübingen liegt eine kleine Kapelle auf einem Hügel, die Wurmlinger Kapelle. Uhland schrieb ein Gedicht über sie, das sehr berühmt wurde. Er hat es am 21. September 1805 nach einem Spaziergang mit Freunden geschrieben. Im ersten Vers dichtet er:
„Droben stehet die Kapelle,
Schauet still ins Tal hinab,
Drunten singt bei Wies und Quelle
Froh und hell der Hirtenknab.“
Im historischen Zentrum der Stadt, in der Altstadt, werden das ganze Jahr über Märkte abgehalten, wie z.B. der Umbrisch-Provenzalische Markt im September und der Weihnachtsmarkt am 3. Adventwochenende, daneben aber auch Flohmärkte, Kunstmärkte, Krämermärkte und das in Deutschland größte Schokoladenfestival „chocolART“ Anfang Dezember.
In dieser „kleinen großen Stadt“ (diesen Begriff hat Walter Jens geprägt) wurde das Baden-Württembergische Brasilien-Zentrum der Universität Tübingen gegründet. Das Zentrum ist wichtige Anlaufstelle sowohl für brasilianische Austausch-Studierende, aber auch für deutsche Studierende, die ein Auslandssemester in Brasilien planen. Von unserer Universität UNISC, eine der 5 Tübinger Partneruniversitäten in Rio Grande do Sul, haben schon viele Studenten die wichtige Erfahrung gemacht, in Deutschland ein oder zwei Semester zu studieren. Aber vor allem unterstützt das Brasilien-Zentrum den Austausch von Doktoranden, Postdocs und Wissenschaftlern. Weitere Infos könnt Ihr, liebe Leser, im Internet unter http://www.uni-tuebingen.de/brasilien-zentrum erfahren.
Auch ich kann an der Universität Eberhard-Karls dank des Brasilien-Zentrums an meinem Promotionsprojekt arbeiten. Immer wenn ich in Tübingen bin, bekomme ich wichtige Unterstützung von Professor Dr. Wolf Engels, dessen Großvater Pfarrer in Rio Pardinho war, und von Sabine Heinle, die das Zentrum mit großem Einsatz koordiniert. Im Laufe der Zeit ist mir Tübingen so ans Herz gewachsen, dass sie eine zweite Heimatstadt für mich geworden ist.
*Lissi Bender ist Dozentin an der UNISC – Universität Santa Cruz do Sul im Zentrum vom Bundesstaat Rio Grande do Sul im südlichen Brasilien, seit 2003 Kommentatorin der wöchentlichen Radiosendungt AHAI – Die Deutsche Stunde der Gemeinden und neuerdings Kolumnistin beim Portal www.brasilalemanha.bom.br .
E-mail: lissi@unisc.br