Den Bock zum Gärtner machen – von Eckhard Ernst Kupfer*, AHAI-Kommentar

Beispielsweise ein kleptomanischer Dieb erhält die Aufsicht über ein Warenlager oder ein Sexualstraftäter wird Direktor eines Mädcheninternats. Sie verstehen schon was ich meine. 

Der klassische Ausdruck kommt daher, dass ein Gärtner verpflichtet wird um den Rasen, die Blumen und die Pflanzen zu pflegen und das Unkraut auszujäten, wem dann aber der Gärtner zu teuer wird, der kann auch einen Ziegenbock damit beauftragen den Garten in Ordnung zu halten. Nur auf Grund seiner  Natur frisst er alles ab und lässt nichts übrig.

Wenn nun also der ehemalige Gewerkschaftsführer und Ex-Präsident des Landes, als letzter Retter einer desolaten Regierung gerufen wird um ein Ministeramt zu übernehmen und um zu versuchen zu retten was nicht mehr zu retten ist, dann passt dieses Sprichwort hervorragend.

Wenn man 13 Jahre Revue passieren lässt und sich an die Korruptionsskandale in dieser Zeit erinnert, dann bemerkt auch ein politisch nicht sehr interessierter Mensch, dass in der Amtszeit des Ex-Präsidenten die Vetternwirtschaft und Selbstbedienung aus den Kassen der Staatsbetriebe am besten funktioniert hat.

Dass die Wirtschaft bis 2008 wie geschmiert lief, hatte nichts mit der Regierung zu tun sondern einfach damit, dass Brasiliens Rohstoffe zu Höchstpreisen auf dem Weltmarkt verkauft werden konnten. Das ist vorbei, aber die Staatsmaschinerie tut weiter so als flößen, Devisen, Steuereinnahmen und Gewinne  wie damals. Das Resultat haben wir seit 2015, es geht rückwärts mit dem Land und niemand versucht dies zu verhindern.

Die Regierung ist gelähmt durch die immer weiter auswuchernden Skandale und Gerichtsverfahren, die Wirtschaft leidet unter der Inflation und den hohen Zinsen, die Arbeiter werden entlassen und konsumieren immer weniger und jeden Tag lesen und hören wir wer sich alles aus Staatskassen oder von Baufirmen nebenbei bezahlen ließ. Die Justiz kommt schon gar nicht mehr nach, die Polizeiberichte abzuarbeiten.

In all diesem Sumpf soll nun der gute Mensch von São Bernardo erscheinen und die abgewirtschaftete Regierung und das Land vor schlimmerem zu retten. Dass er sich aber zunächst einmal nur selbst vor der Justiz retten will, dies denkt nur ein bösartiger Mensch, der nicht versteht, dass es im Land keinen ehrlicheren und korrekteren Bürger gibt als den ehemaligen Präsidenten.

Man wird ja sehen, ob er mehr Gärtner oder mehr Ziegenbock sein wird.

*Eckhard Ernst Kupfer ist der Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden – bl. 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
E-Mail: ekupfer@martiusstaden.org.br