Gegen das Vergessen – von Eckhard Ernst Kupfer*

Wem ist es nicht schon passiert, dass er einen Termin vergessen hat, die Brille nicht fand, den Hausschlüssel verlegt hat oder bei einem Fest der Name einer alten Bekannten nicht einfiel. Nachdem in den letzten Jahren immer mehr über Alzheimer und Demenz veröffentlicht wurde, bekommt man dann unwillkürlich Angst und fragt sich, fängt dies bei dir auch schon an ?

Nach dem bisherigen Stand der Dinge gibt es nichts, was diesen Prozess aufhalten könnte. Gute Ratschläge, wie gesund leben, keine tierischen Fette essen, viel an die frische Luft gehen, Sport zu treiben und sich geistig zu betätigen, können zwar moralisch helfen, richten aber medizinisch wenig aus. Die Verkrustung des Gehirn ist ein Prozess, gegen den es bisher noch kein wirksames Mittel gibt.

Um so erfreulicher scheint mir eine Veröffentlichung im Magazin der Universität Zürich zu sein die berichtet, dass Professor Roger Nitsch der Sache auf der Spur ist. Er entdeckte, dass die Ursache der sogenannten Verkalkung das Protein Amyloid sei, das der Mensch zu seiner Entwicklung unbedingt benötigt, das aber mit zunehmendem Alter sich im Gehirn zu einem Feind entwickelt. Es bildet Fäden und Fibrillen die allmählich verkrusten und sich als Plaquetten im Gehirn ablagern, Synapsien verstopfen und Hirnzellen zerstören, und damit beginnt dann der Alzheimerprozess.

Das Forscherteam untersuchte wie dieser Prozess zu unterbrechen sei und stieß auf sogenannte B-Gedächtniszellen, in diesen Zellen entdeckten sie einen Antikörper, der im Blut zirkuliert und richtig eingesetzt wie eine Hummer mit den Schwanzscheren das Gespinn von Fäden aus Fibrillen auflösen kann. Diesem Antikörper gaben sie den Namen Aducanumab.

Bei 165 Versuchspersonen welche diesen Antikörper über ein Jahr erhielten gab es erstaunliche Ergebnisse. Bei Patienten welche die höchste Dosis erhielten, war die Amyloid-Ablagerungen praktisch verschwunden. Das reicht zwar nicht um zerstörte Gehirnzellen wieder zu aktivieren, aber die verbleibenden können die Arbeit der zerstörten durchaus übernehmen.

Es wird zwar noch ein langer Weg sein, bis diese Entdeckung reif für die regelmäßige Behandlung sein wird, aber die Hoffnung, dass Alzheimer und Demenz gestoppt werden kann läßt hoffen. Dies ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass gerade in hochentwickelten Ländern die Menschen immer älter werden. In der Schweiz rechnet man damit, dass jedes zweite Mädchen das heute geboren wird über hundert Jahre leben kann. Wenn man dann den Gehirnschwund verhindern kann, bringt dies für Krankenkassen und den Pflegedienst ein unglaublich Einsparung.

Hoffen wir, dass diese Behandlung noch eingeführt wird, ehe es für uns zu spät ist.

*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
E-Mail: ekupfer@martiusstaden.org.br