Es ist das Privileg der menschlichen Rasse, dass sie reden kann und sich sehr genau und detailliert in Silben, Worten und Sätzen ausdrücken kann. Davon wird auch ständig Gebrauch gemacht. Man kann es nicht erwarten bis ein Kind zu sprechen beginnt. Danach findet die Erziehung hauptsächlich mit dem gesprochenen Wort im Dialog statt. Schwieriger wird es dann in der Schule, denn da muss der Schüler auch öfters einmal schweigen, der Lehrer redet überwiegend. Aber bereits in diesem Stadium sollte der Mensch lernen, wann er etwas zu sagen hat und was er sagen will. Nicht jeder Gedanke oder jeder Impuls sollte gleich ausgesprochen werden. Hier kommt dann das Sprichwort zur Geltung: “ Hättest du geschwiegen, hätte man dich für einen Philosophen gehalten.” Philosophen wurden im Altertum als die intelligentesten und weißesten Bürger angesehen, denn sie dachten mehr als sie redeten.
In unserer modernen, offenen Gesellschaft hat sich in dieser Hinsicht vieles verändert. Schon durch die Ton und Bildmedien wird der Mensch ständig mit dem gesprochenen Wort zugeschüttet. Viele Menschen hören ständig Radio oder haben immer den Fernseher an wenn sie alleine sind, weil sie ein Leben ohne etwas Gesprochenes zu hören garnicht mehr ertragen. Auch wenn es sich um Gesang handelt, wird ja ständig eine Botschaft übermittelt, die man zwar nicht immer versteht, aber im Unterbewustsein aufnimmt. Die Denkphasen werden immer weniger.
Daraus entsteht dann ganz natürlich, dass der Mensch sich nur für wichtig hält wenn er redet, und es wir immer mehr geredet, es wird überall geredet, es wird nicht mehr unterschieden ob man etwas für sich behält oder ausdrückt. Die Kontrolle über das gesprochene Wort geht verloren. Man redet sich gewissermaßen “um Kopf und Kragen”.
Dem Menschen ist in den modernen Zeiten das Schweigen verloren gegangen. Deshalb sollte man wieder die Stunden suchen, in denen man allen Medienlärm ausschaltet und sich zurückzieht und seinen Gedanken freien Lauf lässt, denn Schweigen ist wirklich wie Gold. Man kann in Ruhe schürfen und entdeckt wertvolle Gedanken, die beim schnellen Reden so niemals entstehen können.
*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
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