Was man in Zeitungen, im Internet und im Fernsehen sieht, hört und liest, scheint genauso widersprüchlich und verworren zu sein wie die Lage im Land südlich des Äquators. Schon die Überschriften lassen das erkennen: “Es kann nicht mehr schlimmer werden” titelt ein deutsches Nachrichten-Portal und sieht das Land als ein “Tollhaus”, eine Irrenanstalt. “Umsturz an der Copacabana” kann man lesen, und eine Zeitung macht sich gar ernsthaft Sorgen um die Olympiade: “Gastgeber Brasilien versagt im Kampf gegen Zika-Virus”.
Wer genau hinschaut, findet jedoch schnell heraus, dass es hier weniger um objektive Tatsachen, sondern um politische Einschätzungen geht. Je nachdem, ob man das Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff gut findet oder nicht, werden Fakten genannt oder auch einfach unterschlagen.
Eine eher konservative Zeitung zählt die Fakten auf, welche für eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe sprechen. Ein liberales Internetportal bedauert hingegen, dass nach Dilmas äußerst fragwürdiger Absetzung nun wieder die traditionellen, konservativen Eliten an die Macht kämen. Eine den Gewerkschaften nahe stehende Zeitung in Deutschland belegt, dass unter Dilma und Lula viele Arme sozial aufgestiegen seien. Konservative Kreise hätten jedoch mit Hilfe der Presse eine äußerst aggressive Kampagne gegen die PT geführt und seien selbst vor Sabotage nicht zurückgeschreckt.
Für den deutschen Leser, welcher Brasilien vielleicht nur als Tourist kennen gelernt hat, scheint es in diesen Zeiten äußerst schwierig zu sein, sich ein klares Bild zu machen.
*Henning Fülbier, Regisseur, Theaterpädagoge und Autor, war neun Jahre lang Fachberater für Deutsch an südbrasilianischen Schulen von Rio Grande do Sul und Santa Catarina und Dozent für Deutsch als Fremdsprache am IFPLA in Ivoti, RS. Heute, u. a., unser Beobachter und Kommentator in Berlin für die Radiosendung AHAI – Die Deutsche Stunde der Gemeinden – Bl. 01 (obiger Kommentar bei ahai 1141) und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
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