Brasilien neu erfinden – von Eckhard Ernst Kupfer*

Die Politiker haben den Menschen in Brasilien schon immer sehr viel zugemutet. Die Gründung der Republik war eigentlich ein Versehen, denn Marschall Deodoro da Fonseca wollte eigentlich nur die Regierung von Visconde de Ouro Preto entfernen. Doch aus dem Durcheinander zwischen Militärs und Politikern, entwickelte sich etwas ungewollt der Sturz der Monarchie.

So ähnlich ging es dann in der Geschichte weiter, Getulio Vargas erschoss sich selbst um ein Fanal zu hinterlassen und Janio Quadros trat zurück, da er angeblich von mysteriösen Kräften dazu gezwungen wurde. Der Sturz von Fernando Collor war letztlich konstruiert, um einen damals politischen Außenseiter los zu werden und das impeachment gegen Dilma Rousseff war letzlich auch nur ein Vorwand um einmal die Richtung der katastrophalen Wirtschaftslage zu stoppen und auf der anderen Seite die politische Mehrheit des Kongresses wieder an die Macht zu bringen. Politik wurde in Brasilien immer gerne in Hinterzimmern gemacht.

Neu ist eigentlich nur, dass sich einige Vertreter der Justiz daran machten den bodenlosen Sumpf von Korruption und Vetternwirtschaft etwas trocken zulegen. Schnell war zu erkennen, dass eigentlich kein Volksvertreter eine saubere Weste hat. Die Justiz durchbrach die Wand des Schweigens dann einfach mit verlängerter Haft. Wer es gewohnt ist in Luxus zu leben, wird in der einfachen Gefängniszelle schnell schwach, und so kam dann ein Geständnis nach dem anderen, das auch die politische Klasse hinter Gitter brachte.

Man glaubte nun, dass die noch freien Politiker daraus eine Lehre gezogen und ihre Gewohnheit geändert hätten, aber offenbar können sie nicht anders als kungeln und verschieben und sich Mehrheiten erkaufen.

Mit der neuesten Aussage der Batista Brüder ist nun auch der derzeitige Präsident und seine Koalition in eine ziemliche Schieflage geraten. Es bleibt offen, ob die derzeitige Regierung die nächsten 19 Monate dahinsiechen oder von einer neuen abgelöst werden wird, in der aber die alten Gesichter wieder auftauchen würden.

Bei dieser vertrackten Situation, bleibt die einzige Hoffnung, dass Brasilien als Land viel stärker ist als seine politische Klasse und irgend eine Lichtfigur auftauchen müsste um dieses Land neu zu erfinden, wobei dann das Wort “jeitinho” aus dem Sprachgebrauch gestrichen, und die Benutzung unter Strafe gestellt werden müsste. Denn daraus wird schnell ein “jeitão” und der ist gefährlich.

*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
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