Der Impeachment-Prozess – von Eckhard Ernst Kupfer*

Deshalb will ich den Vorgang an sich nicht kommentieren. Sondern mich damit beschäftigen, was in einer Demokratie möglich ist wenn die Regierung die erwarteten Ergebnisse nicht liefert. In den westlichen Demokratien gibt es grundsätzlich zwei Regierungsformen, den Präsidentialismus, den wir in Brasilien haben, der in etwa das nordamerikanische Modell darstellt und den Parlamentarismus, der in vielen europäischen Ländern besteht. Der Päsidentialismus gibt dem direkt vom Volk gewählten Präsidenten eine enorme Macht und Verantwortung. Er muss sich allerdings seine Gesetze vom Kongress absegnen lassen. Insofern kann diese Regierungsform nur funktionieren, wenn beide  Institutionen gut mit einander auskommen, wobei der Präsident allerdings per Dekret gewisse Entscheidungen erzwingen kann. Während der gewählten Periode ist der Präsident so gut wie nicht absetzbar, es sei denn er verstößt klar gegen das Grundgesetz.

Die parlamentarische Regierungsform gibt dem Kongress ein größeres Mitspracherecht beim Regieren, da immer wenn die Mehrheit des Parlaments mit der von ihm gewählten Regierung nicht einverstanden ist, jederzeit ein Misstrauensantrag gestellt werden kann und dann ein  neuer Politiker mit der Regierungsaufgabe beauftragt wird.

Die derzeitige Situation in Brasilien basiert aber auf zwei grundsätzlichen Schwierigkeiten. Auf der einen Seite beschwert sich die Noch-Präsidentin, dass ihr bei einem Kongress der aus 35 Parteien besteht und damit aus unzähligen Interessen, das Regieren unmöglich gemacht wurde, da sie selbst zur Regierungsbildung 20 Parteien benötigte, die nicht immer treu zu ihr standen, auf der anderen Seite die Kongressmitglieder sich über einen mangelnden Dialog mit der Regierung beschweren, und deshalb die Mehrheit der Gesetzentwürfe zu Fall brachten.

Als Lösung dieser auswegslosen Situation wurde nun der Impeachment-Prozess konstruiert, damit das Land nicht noch weiter  Schaden nimmt. Um Brasilien aber wirklich wieder erfolgreich regieren zu können, egal wer dies immer tun wird, müßte auch unbedingt das Parteiensystem verändert werden, denn eine derartige Zersplitterung von Interessen schadet letztlich dem Land und damit dem Volk.

*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
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