es sind die Denkenden, der wissenschaftliche Nachwuchs, die mit ihrem Arbeitsumfeld zunehmend unzufrieden sind.
Einer Umfrage der Wochenzeitung DIE ZEIT mit rund 7000 Teilnehmern ergab, dass 81% an einen Ausstieg aus der Wissenschaft denken. Sie suchen eine alternative Beschäftigung in der freien Wirtschaft oder planen ins Ausland abzuwandern. Befragt wurden wisschenschaftliche Hilfskräfte, Doktoranden, Stipendiaten, Postdocs und Juniorprofessoren.
Gründe für diese Unzufriedenheit gibt es viele: die wisschenschaftlichen Stellen sind schlecht bezahlt, es ist schwierig eine Familie in diesem System zu gründen, in der freien Wirtschaft sind die Zukunftsaussichten klarer, denn an der Universität fällt die Entscheidung dagegen sehr spät ob man in der Wissenschaft bleiben kann oder nicht.
Ein langfristiges Planen der universitären Karriere ist so nicht möglich: rund 90% der Wissenschaftler haben befristete Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von unter einem Jahr. Wer sein Doktorstudium abgeschlossen hat, hatte bis dahin schon vier bis sechs Verträge unterschrieben. Um die Postdoc- Stellen, die nach der Promotion folgen, ist es nicht besser bestellt. Arbeitsverträge von bis zu einigen Monaten und häufiges Umziehen von einer Universität zur nächsten machen eine Familienplanung schiergar unmöglich. Wer Mitte 40 schliesslich fesstellt, keine Dauerprofessur zu bekommen, steht buchstäblich auf der Strasse. Selbst unter den Juniorprofessoren, die schon fest im System verwurzelt sind, denkt jeder zweite an einen Ausstieg
Die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka nennt die Situation „bedenklich“. Die Politik reagiert mit einer Novellierung des Wissenschaftszeitvertrags-gesetzes, um verlässlichere Karrierewege zu ermöglichen. Die Vertragslaufzeit soll nunmehr an die Promotion, Habilitation oder die Projektdauer gebunden sein. Kurzzeitverträge soll es dennoch weiterhin geben, es muss allerdings künftig genau begründen werden, warum jemand kurzfristig angestellt werden soll. Ausserdem sollen 1000 neue Stellen für Professoren geschaffen werden.
Hochschulrektorenchef Horst Hippler nennt dies „einen Tropfen auf den heissen Stein“, Wissenschaftsratchef Manfred Prenzler sieht darin „einen grossen Schritt nach vorn“, fordert indes allerdings 7500 neue Professorenstellen.
Es tut sich also vorläufig etwas für den Nachwuchs. Nebenbei gesagt, gehöre auch ich bedauernderweise zu den Flüchtenden des wissenschaftlichen Systems in Deutschland.
*Anja Dullius ist Biochemikerin aus dem Bodensee-Gebiet im Süden Deutschlands. Sie wohnt mit ihrem Ehemann Carlos in Estrela, RS, in einer ausgeprägten deutschstämmigen Gemeinde und Region in Südbrasilien, wo sie als Wissenschftlerin ihren Beruf bei dem Biogas Unternehmen Launer Química Ltda. bei Estrela für ein Biogasprojekt des brasilianischen CNPq ausübt.