und Museen melden Besucherrekorde. Alte Häuser werden renoviert, neue gebaut, um zeithistorische Museen darin zu eröffnen.
In Regensburg ist ein Museum für Bayerische Geschichte geplant. In München wurde gerade ein Dokumentationszentrum der Nationalsozialistischen Zeit Deutschlands fertiggestellt. In Frankfurt am Main, Köln und Hamburg sind Megaprojekte im Gange. Entdecken die Deutschen Ihre Geschichte gerade neu, oder brauchen sie einen neuen nationalen Narrativ? Wer genauer hinschaut, merkt, dass hier nicht die Geschichte Deutschlands erzählt wird, sondern regionale Geschichte einzelner Städte und Regionen Deutschlands. In der Zeit nach der Reichsgründung 1871 wurden die deutschen Vergangenheiten in eine Nationalgeschichte umgeformt. Alles Geschichtliches war plötzlich Ausdruck deutschen Geistes und deutscher Rasse. Geschichte vom Neandertaler aus der Steinzeit bis zur Weimarer Klassik war deutsche Geschichte, die deutsche Dichtung, Kunst und deutsche Musik sowieso.
Deutschland hat in Wirklichkeit keine gemeinsame Vorgeschichte, sondern setzte sich seit eh und je aus regionalem Partikularismus zusammen. Das deutsche Gebiet bevölkert von germanischen Stämmen, später setzte es sich zusammen aus kleinen Fürstentümern. Es waren Regionen mit völlig verschiedener politischer Tradition und Erfahrungen. Der Autor Bruno Preisendörfer beschreibt in seinem historischen Buch mit dem treffenden Titel „Als Deutschland noch nicht Deutschland war“ das alltägliche Geschehen und Gegebenheiten zu Lebzeiten Goethes in der Weimarer Klassik. Und im neuen Hansemuseum in der dorddeutschen Stadt Lübeck kann man lernen, wie national das deutsche Mittelalter tatsächlich war.
Die Deutschen entdecken Ihre Geschichte, entstanden durch den Partikularismus, entstanden aus vielen einzelnen Geschichten vieler einzelner Regionen gerade neu. Begreifen, dass ihre Geschichte schon immer multikulturell war; statt nationale Einfalt, gab es regionale Vielfalt. Statt die Geschichte der Deutschen, gibt es vielmehr die Geschichten der Deutschländer.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Es grüsst Sie aus Estrela, RS
Ihre Anja Dullius
*Anja Dullius ist Biochemikerin aus dem Bodensee-Gebiet im Süden Deutschlands. Sie wohnt mit ihrem Ehemann Carlos in Estrela, RS, in einer ausgeprägten deutschstämmigen Gemeinde und Region, wo sie ihren Beruf bei dem Biogas Unternehmen Launer Química Ltda. bei Estrela als Wissenschaftlerin für ein Biogasprojekt des CNPq ausübt.