Man möchte wissen, wo man im Vergleich zu den anderen steht.
Vergleiche sind in der modernen Gesellschaft weit verbreitet. Man braucht nur einmal die Zeitung aufzuschlagen. Es wimmelt nur so von Ranglisten: im Wirtschaftsteil und auf den Sportseiten und natürlich immer dann, wenn von Leistungen in Universitäten und Schulen die Rede ist. Für den amerikanischen Sozialpsychologen Leon Festinger steckt hinter dem Vergleich der menschliche Wunsch, ein realistisches Bild von der Welt und von sich selbst zu bekommen.
Seit einiger Zeit werden sogar Nationen miteinander verglichen. Man will herausfinden, welches Land weltweit die beste Reputation hat. Dazu werden jährlich 20.000 Menschen in verschiedenen Ländern befragt. Sie sollen einschätzen, wie es z.B. um Kultur und Politik, um die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Lage der Bevölkerung oder die touristische Attraktivität in 50 Staaten bestellt ist.
Die Deutschen könnten sich nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen eigentlich entspannt zurücklehnen. Seit dem vergangenen Jahr steht ihr Land auf Platz eins der Weltrangliste, noch vor den USA. Deutschland wird bescheinigt, dass es eine ehrliche und kompetente Regierung hat und dass seine Wirtschaftskraft und seine sportlichen Leistungen zur Weltspitze gehören.
Allerdings frage ich mich: Bekommen wir durch solche Vergleiche wirklich ein realistisches Bild von uns selbst und von der Welt? So mancher bezweifelt das und sieht in dem Vergleich das Ende des Glücks und den Anfang der Unzufriedenheit.
*Henning Fülbier war neun Jahre lang beauftragter Sprachberater der deutschen Bundesregirerung bei Schulen mit Deutschuntericcht in Rio Grande do Sul und Santa Catarina, mit Sitz in in Porto Alegre, Süd-Brasilien, und ist heute u. a. Korrespondent BrasilAlemanha in Berlin und dortiger Beobachter und Kommentator bei unserer Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden.