Die Demokratie ist die höchstentwickelste aller Staatsformen, denn sie basiert auf dem Willen und der Entscheidung des Volkes. Um aber in einem Staat die Demokratie wirklich funktionieren zu lassen, erfordert es mündige Wähler die sich voll bewusst sind was und wen sie wählen und mit der Staatsrepräsentation und Führung beauftragen. Derzeit sind Staaten die so aufgestellt sind eine Minderheit. Brasilien gehört dazu, das ist eine großartige Errungenschaft. Es gibt zwar viele Stimmen die an der brasilianischen Demokratie etwas zu kritisieren haben, aber das ist gleichzeitig ein Zeichen dass es sie gibt und sie funktioniert.
Letzte Woche erlebte das Land eine Situation, die zunächst erschreckend wirkte, ein Vertreter der höchsten richterlichen Instanz griff ohne jede Anklage und Untersuchung in das verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung ein. Er untersagte gegen eine hohe finanzielle tägliche Strafe die Verbreitung des Satzes von Marcelo Odebrecht: “O amigo do amigo do meu pai. ” Rasch wusste jedermann wer damit gemeint war, nämlich der Kollege des obersten Richters und seines Zeichens derzeit Präsident des Obersten Gerichtes. Da tauchte sie wieder auf, die Protektion des Korporativismus, die das Land seit Jahrhunderten begleitet. Wer oben im Glashaus sitzt ist heilig, unfehlbar und darf nicht angegriffen werden. Tut es irgend jemand doch, dann verspürt er die gesamte Wucht der Macht.
Doch es entstand etwas relativ neues, wie ein Orkan überspülten die Wellen der Empörung und Insubordination die noch freie Presse und was noch wichtiger war, die sozialen Medien. Der so scheinbar allmächtige Richter stand alleine da, nackt und ohne jeden Schutz, keiner eilte ihm zur Hilfe, noch nicht einmal die eigenen Kollegen, und so musste er kleinmütig seine Entscheidung zurücknehmen.
Die Moral dieser Geschichte: Das Volk und damit die Demokratie hatte gewonnen, hatte den Herrn im schwarzen Rock daran erinnert, dass es Gesetze und Instanzen und vor allem Gewaltenteilung gibt, dass auch ein oberster Richter nicht Investigator, Ankläger und Richter in einem sein kann. Eigentlich hätte er das wissen müssen, denn er besuchte die bedeutenste und älteste Rechtsfakultät des Landes. Aber wie schon gesagt, manchesmal macht Macht blind, aber deshalb ist es gut, dass die Demokratie des Volkes funktioniert. “7:1 für Brasilien”.
*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br – Notícias.
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