Die Zukunft der Nation – von Eckhard Ernst Kupfer*

Diese Menschen kommen irgendwo her, sie fliehen aus Angst um ihr Leben in Kriegsgebieten, sie wollen der Armut und Not entgehen oder sie suchen einfach die Möglichkeit zu einem besseren Leben. Diese Wanderung wäre eigentlich ganz einfach, wenn es keine Grenzen gebe, aber im Laufe von  Jahrtausenden haben sich Kulturkreise zu Nationen verwandelt, mit einer politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur. Diese Nationen haben Grenzen, Gesetze und Bewohner die sie als ihre Bürger bezeichnen.

Es ist zwar heute viel einfacher als früher von einem Land in ein anderes zu reisen, aber einfach den Wohnort dauerhaft zu wechseln ist immernoch nicht selbstverständlich. Man ist als Gast oder Tourist überall willkommen, aber nicht als Neubürger und Nachbar. Hier machen die Nationen dieser Erde noch einen feinen  Unterschied. Wer Bürger eines anderen Landes werden will, muss sich genauen Tests, Untersuchungen und Eignungsprüfungen unterziehen. Danach erst wird entschieden wer bleiben darf und wer nicht. Damit schützen sich Nationen vor unbeliebten Einwanderern, vor Kriminalität, Gefahr und und Wirtschaftsschmarotzern.

Doch es gibt Situationen wie derzeit in Europa, das durch Kriege in Nachbarschaftsregionen und extremer Armut im Norden Afrikas, ganze Völkerwanderungen stattfinden. Die Menschen kommen in Mengen zu Fuß oder zu Wasser und stehen plötzlich bedrohlich vor den Grenzen, überrennen diese und sind da, wie Strandgut. Wie soll ein Land und eine Regierung reagieren? Es geht von der Willkommenskultur Deutschlands bis zur Abschottung Ungarns und Mazedoniens. Brasilien stand vor kurzem vor einem ähnlichen Problem, Flüchtlinge aus Haiti und Einwanderer aus Afrika kamen, baten um Asyl oder blieben einfach an den Grenzen bis sie hereingelassen werden.

Neben diesen genau markierten Nationen gibt es aber heute schon internationale Gemeinschaften, die längst alle Grenzen überwunden haben. Die Gemeinschaften im Internet. Da ist es gleichgültig ob jemand in Brasilien, China oder Frankreich wohnt, er komuniziert mit jedem, tauscht seine Erfahrungen, Eindrücke, Meinungen und sogar Gefühle aus. Mit einem Klick ist er Teil einer internationalen Plattform und Gemeinschaft, in die er frei eintreten und sie  auch jederzeit wieder verlassen kann.

Wenn wir nun in die Zukunft blicken und erahnen, dass für immer mehr Menschen die Begegnung im Internet wichtiger wird als der persönliche Kontakt, der Einkauf ebenso wie die Unterhaltung und gar die Freundschaft, dann verliert auch der Begriff – Nation – immer mehr an Bedeutung, dann sind wir Mitglied einer virtuellen Nation, die keine Grenzen mehr kennt. Vielleicht sollte dann die Beschränkung und die Limitierung überdacht werden, ehe immer mehr Bürger zwar in einem realen Staat leben, sich aber nach den Regeln einer internationalen Gesellschaftsform benehmen die keine Beschränkungen mehr kennt.  

*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br.
E-Mail: ekupfer@martiusstaden.org.br