Als ich an der Universität Konstanz studierte, wohnte ich ein wenig ausserhalb von der Stadt und hatte von meiner Wohnküche aus Blick auf den Bodensee. Am gegenüberliegenden Ufer sah ich die Stadt Überlingen, etwas weiter rechts gelegen auf der Höhe von Konstanz lag das idyllische Städtchen Meersburg.
Anfang Herbst ist ein Ausflug nach Meersburg eine Augenweide, mit dem Schiff im Hafen angekommen, wird man von bunt gefärbten Weinblättern empfangen, die den Hang des Staatsweinguts säumen. Der Weinanbau wird in Meersburg nachweislich seit dem 13. Jahrhundert betrieben.
Meersburg ist durchzogen von kleinen Gässchen, gesäumt von mittelalterlichen Fachwerkhäusern, in denen man gemütliche Gaststuben oder kleine Läden vorfindet, welche hiesige Leckereien oder traditionelles Handwerk anbieten. Eine hübsche Uferpromenade lädt zum Spaziergang am Ufer des Bodensees ein und an einigen Aussichtsterassen hat man einen herrlichen Blick auf den Bodensee. Bei klarem Wetter kann man zusätzlich die imposante Bergkette der Alpen bewundern.
Oberhalb der Stadt auf dem Rebhang erhebt sich die Burg Meersburg. Die mittelalterliche Anlage wurde vermutlich im 7. Jahrhundert erbaut, ist demnach schon über 1000 Jahre alt. Der Rundgang durch das Burgmuseum gibt Einblick in mehr als 30 Räume der Burg, darunter auch die Wohnräume und das Sterbezimmer der bekannten deutschen Dichterin und Komponistin Annette von Droste-Hülshoff, welche die Burg zwischen 1841 bis zu Ihrem Todestag am 24. Mai 1848 bewohnte.
Annette von Droste-Hülshoff gilt als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen. Ihre Balladen wie „Der Knabe im Moor“ oder die Novelle „Die Judenbuche“ sind berühmte Werke. Ihr Wirken als Komponistin und Musikerin wurde erst nach ihrem Tod bekannt, der musikalische Nachlass wurde im 20. Jahrhundert eingehender untersucht. Sie besass die „seltenste Gabe“, „Poesie in Musik und Musik in Poesie“ zu übersetzen.
Der Burg Meersburg hat die Dichterin das Gedicht „Das alte Schloss“ gewidmet:
Auf der Burg haus’ ich am Berge,
Unter mir der blaue See,
Höre nächtlich Koboldzwerge,
Täglich Adler aus der Höh’,
Und die grauen Ahnenbilder
Sind mir Stubenkameraden,
Wappentruh’ und Eisenschilder
Sofa mir und Kleiderladen.
Schreit’ ich über die Terrasse
Wie ein Geist am Runenstein,
Sehe unter mir die blasse
Alte Stadt im Mondenschein,
Und am Walle pfeift es weidlich,
– Sind es Käuze oder Knaben? –
Ist mir selber oft nicht deutlich,
Ob ich lebend, ob begraben!
Mir genüber gähnt die Halle,
Grauen Tores, hohl und lang,
Drin mit wunderlichem Schalle
O Langsam dröhnt ein schwerer Gang;
Mir zur Seite Riegelzüge,
Ha, ich öffne, laß die Lampe
Scheinen auf der Wendelstiege
Lose modergrüne Rampe,
Die mich lockt wie ein Verhängnis,
Zu dem unbekannten Grund;
Ob ein Brunnen? ob Gefängnis?
Keinem Lebenden ist’s kund;
Denn zerfallen sind die Stufen,
Und der Steinwurf hat nicht Bahn,
Doch als ich hinab gerufen,
Donnert’s fort wie ein Orkan.
Ja, wird mir nicht baldigst fade
Dieses Schlosses Romantik,
In den Trümmern, ohne Gnade,
Brech’ ich Glieder und Genick;
Denn, wie trotzig sich die Düne
Mag am flachen Strande heben,
Fühl’ ich stark mich wie ein Hüne,
Von Zerfallendem umgeben.
Ihnen ein schönes Wochenende, es grüsst Sie aus Estrela,
Ihre Anja Dullius