Flüchtlinge – von Eckhard Ernst Kupfer*

Es war in der Nachkriegszeit in Deutschland, sie kamen vor allem aus dem Osten Europas, aus ihrer Heimat geflüchtet, weil sie irgendwo deutschen Ursprungs waren und die Kommunisten sie bedrohten. Doch sie waren ein Fremdkörper in unserer geschundenen und zerbombten Welt. In einer ehemaligen Schweinemast wurden sie untergebracht. Wenn einer in der Grundschule sagte, dass er dort wohne, wusste man dass er ein Flüchtlingskind war. Wir anderen hielten Abstand, hatten Angst vor Läusen und Krankheiten. Außerdem sagte einer, sie würden stinken.Eine Generation später hatten viele ihren festen Beruf, manche studierten und eine ganze Reihe hatte sich mit Einheimischen vermählt, das war sogar gut so, damit wurde die Inzucht vermieden.

Heute kommen wieder Flüchtlinge nach Europa, sie kommen über Italien und Griechenland, kommen aus Afrika und Syrien. Sie fliehen vor regionalen Kriegen, Hungersnot und religiöser Verfolgung. Manche auch ganz einfach weil sie sich in Europa ein besseres Leben versprechen. Doch Europa weiß nicht so richtig was sie mit diesen Menschen anfangen  soll, die die gewagte Überfahrt durch die Wellen des Mittelmeers überlebt haben. Sie kommen in Auffanglager, werden zusammengepfercht wie Kriegsgefangene und so versorgt, dass es zum überleben reicht.

In Asien flüchten Menschen aus Bangladesh und Myanmar. Ebenfalls aus Not und religiöser Verfolgung. Niemand ist begeistert sie aufzunehmen. Australien hat sich abgeschottet und schickt sie zurück, Indonesien und Malaysia sortieren aus und behalten nur wenige. In Brasilien tauchen immer mehr Haitianer im Staat Acre auf, sie kamen über Peru und Ekuador, mussten für Schleuser teuer bezahlen. Der arme Staat im Norden hat wenig Verwendung für diese Neuankömmlinge, er schickt sie mit Omnibussen in den Süden, dort seien die Staaten reicher. Per Dekret hat das Justizministerium dies nun verboten, aber die Busse fahren weiter.
Das ist heute weltweit ein großes Dilemma, Menschen wollen überleben wenn sie bedroht werden, wollen nicht verhungern und nicht verfolgt werden, deshalb geben sie alles auf was sie erworben haben, nehmen nur ihr Leben mit. Doch damit werden sie nirgendwo wohlwollend empfangen, keiner wartet auf sie und begrüßt sie freudig.

Dies ist die Tragik und der Zwiespalt in unserer heutigen egoistischen Welt. Jeder ist sich selbst der Nächste und will sich abschotten gegen die unbekannten Fremden, die wie Strandgut angespült werden, und denkt genauso wie wir damals in der Schule, sie könnten Läuse und Krankheiten mit sich bringen, sie könnten stinken und unser Leben bedrohen, sie sind nicht gewollt.

*Eckhard Ernst Kupfer ist der Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo und Kommentator bei der wöchentlichen RadioSendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden

Audio: AHAI 1086 – ab Freitagmorgen bei BrasilAlemanha/Programa AHAI – Bloco 05.