Neben den großen politischen Ereignissen, gibt es auch noch Nachrichten, die man unbedingt bekannt machen muss. Frau Ursula Dormien, die über fünfzig Jahre die deutschsprachige Wochenzeitung – Brasil Post – herausgebracht hat, beging am 29. August ihren 90. Geburtstag. Wer sie kennt und mit ihr noch regelmäßig Kontakt hat, hält es nicht für möglich, dass sie dieses biblische Alter erreicht hat.
Ursula Dormien ist ein Stück deutsch-brasilianische Geschichte. Sie kam 1928 als einjähriges Kind nach Brasilien und lebt ihr ganzes Leben in São Paulo, dieser multikulturellen Stadt, die für bereits 190 Jahre auch für viele deutsche Einwanderer eine zweite Heimat wurde. Doch São Paulo ist so groß wie manche Staaten, deshalb gibt es bis heute noch die Deutschen in der Nordzone und die in der Südzone. Jede Gruppe hat ihre eigene Tradition, hatte oder hat noch ihren eigenen Klub und ihre eigene Schule. Lediglich bei den großen Festen oder wenn man krank wurde, traf man sich dann in der Mitte. Der deutsche Klub Transatlântico befand sich lange in der Rua 13 de Maio nahe der Paulista, und ganz in der Nähe des deutschen Krankenhauses Oswaldo Cruz.
Die Zeiten haben sich geändert, der traditionelle Klub Braganza in der Nordzone existiert nicht mehr, aber die Schule Imperiatriz Leopoldina immernoch. Der Klub Transatlântico ist in die Südzone gezogen, wo besonders durch die Industrialisierung der 1950er und 1960er Jahre sich immer mehr Deutsche niederließen. Dort gibt es noch zwei Schulen mit einem deutschen Zug, den Yacht Klub Santo Amaro und die evangelische Friedenskirche, nicht zu vergessen eine der ältesten deutschen Einrichtungen, den Gesangsverein Lyra.
Aber Ursula Dormiens Bemühen ging weit über São Paulo hinaus. Als sie 1960 die Brasil Post übernahm, war die größte Lesergemeinde in den Staaten Rio Grande do Sul und Santa Catarina zu finden. Dort wurde geradezu auf die nächste Ausgabe der Zeitung gewartet, denn es war für viele Menschen in einer Zeit ohne Kabelfernsehen und Internet, die einzige Beziehung zur deutschen Sprache. Zwischen der Herausgeberin und vielen Lesern im Süden entwickelte sich ein enges, fast inniges Verhältnis. Viele Leserbriefe veröffentlichte Frau Dormien, andere beantwortete sie persönlich.
Auch in Krisenzeiten war diese enge Verbindung zu den Lesern der Ansporn trotzdem weiterzumachen. Allmählich eroberte sich die Brasil Post aber auch die Leser in São Paulo, die bisher mehr von der Deutschen Zeitung bedient wurden. Besonders in den letzten 20 Jahren entwickelte sich die Brasil Post zur führenden deutschsprachigen Zeitung in ganz Brasilien. Als dann Frau Dormien im hohen Alter von 85 Jahren, im Jahr 2012 die letzte Ausgabe herausbrachte, war eine Epoche abgeschlossen, die über 150 Jahre anhielt. Es gibt keine flächendeckende deutschsprachige Tages- oder Wochenzeitung in Brasilien mehr.
Am letzten Donnerstag wurde in einem bemerkenswerten Fest die Leistung von Ursula Dormien im Klub Transatlântico in São Paulo gewürdigt. Ihr Einsatz und ihre großartiger Arbeit für die deutschsprachige Presse in Brasilien wird unvergessen bleiben.
*Eckhard Ernst Kupfer ist deutscher Journalist, Direktor des Martius-Staden-Instituts in São Paulo, Herausgeber der Jahrbücher des Instituts, Mitautor von “Fünf Jahrhunderte deutsch-brasilianische Beziehungen”, Kommentator der Radiosendung AHAI – Die deutsche Stunde der Gemeinden > Block 05 und Kolumnist bei www.brasilalemanha.com.br – Notícias.
E-Mail: ekupfer@martiusstaden.org.br